Wein-Glossar

Vinifikation

4. Dezember 2025
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Was ist Vinifikation? Erfahre alles über den Weinherstellungsprozess von der Traube bis zur Flasche und die verschiedenen Vinifikationsmethoden.

Was ist Vinifikation?

Vinifikation (vom lateinischen "vinum" = Wein und "facere" = machen) bezeichnet den gesamten Prozess der Weinherstellung von der Verarbeitung der geernteten Trauben bis zum fertigen, abgefüllten Wein. Der Begriff umfasst alle kellertechnischen Maßnahmen und Entscheidungen, die ein Winzer trifft, um aus Trauben Wein zu machen.

Die Art der Vinifikation hat einen entscheidenden Einfluss auf den Charakter, die Qualität und den Stil des entstehenden Weins – selbst Trauben derselben Rebsorte aus demselben Weinberg können durch unterschiedliche Vinifikation zu völlig verschiedenen Weinen führen.

Die Hauptschritte der Vinifikation

1. Lese und Anlieferung

Die Vinifikation beginnt mit der Ernte der Trauben. Der Lesezeitpunkt, die Art der Lese (Handlese oder maschinell) und der Transport der Trauben zum Weingut sind bereits wichtige vinifikatorische Entscheidungen, die die Weinqualität beeinflussen.

2. Entrappen und Mahlen

Nach der Ankunft im Keller werden die Trauben meist vom Stielgerüst (Rappen) getrennt – außer bei speziellen Verfahren wie der Ganztraubenvergärung. Anschließend werden die Beeren schonend aufgebrochen, um den Most freizusetzen.

3. Maischebehandlung

Für Rotweine folgt die Maischegärung – die Gärung findet zusammen mit den Schalen statt, um Farbe, Tannine und Aromen zu extrahieren. Bei Weißweinen wird der Most meist direkt von den Schalen getrennt und geklärt abgepresst. Die Dauer der Maischestandzeit und die Art der Mazeration sind wichtige Stellschrauben für den Weinstil.

4. Gärung

Die alkoholische Gärung ist das Herzstück der Vinifikation. Hefen (natürlich vorhandene oder zugesetzte Reinzuchthefen) wandeln den Zucker im Most in Alkohol und Kohlendioxid um. Entscheidungen über:

  • Gärtemperatur (kühl für Fruchtigkeit, wärmer für Komplexität)
  • Gärbehälter (Edelstahltank, Holzfass, Betonei)
  • Hefestämme (Reinzuchthefe vs. Spontanvergärung)
  • Gärdauer

...prägen den entstehenden Wein maßgeblich.

5. Malolaktische Gärung

Bei den meisten Rotweinen und manchen Weißweinen folgt die malolaktische Gärung – ein bakterieller Prozess, der harte Apfelsäure in mildere Milchsäure umwandelt und dem Wein Cremigkeit und Komplexität verleiht.

6. Ausbau und Reifung

Nach der Gärung reift der Wein über Wochen, Monate oder sogar Jahre. Der Ausbau kann erfolgen in:

  • Edelstahltanks: Erhalt der Fruchtfrische und Primäraromen
  • Barrique-Fässern: Zusätzliche Aromen (Vanille, Toast), oxidative Entwicklung, Tanninintegration
  • Großen Holzfässern (Botti): Kontrollierte Sauerstoffzufuhr ohne starke Holzaromen
  • Betonbehältern: Mikrooxidation, Erhalt der Frucht

Während dieser Zeit kann der Wein sur lie (auf der Feinhefe) gelagert werden, was zusätzliche Textur und Komplexität bringt.

7. Klärung und Stabilisierung

Vor der Abfüllung wird der Wein meist geklärt (durch Sedimentation, Schönung oder Filtration) und stabilisiert, damit er in der Flasche nicht eintrübt oder unerwünschte Gärungen durchläuft.

8. Abfüllung

Die finale Abfüllung auf Flaschen erfolgt unter kontrollierten Bedingungen, oft mit Schutzgas, um Oxidation zu vermeiden. Manche Weine werden nach der Abfüllung noch einige Zeit im Keller nachgelagert, bevor sie in den Verkauf gehen.

Unterschiede in der Vinifikation

Rotwein vs. Weißwein

Rotweinvinifikation:

  • Gärung mit den Schalen (Maischegärung)
  • Extraktion von Farbe, Tanninen und Phenolen
  • Oft malolaktische Gärung
  • Häufiger Ausbau im Holzfass
  • Längere Reifezeiten

Weißweinvinifikation:

  • Meist Pressung vor der Gärung (Mostgärung)
  • Keine Tanninextraktion gewünscht
  • Kühlere Gärtemperaturen für Fruchterhalt
  • Malolaktische Gärung optional (ja bei cremigen Stilen wie Burgunder, nein bei frischen Stilen wie Riesling)
  • Oft in Edelstahl ausgebaut

Roséweinvinifikation:

  • Kurzer Schalenkontakt (wenige Stunden bis max. 2-3 Tage)
  • Danach Vinifikation ähnlich wie Weißwein
  • Ziel: Farbe und etwas Struktur, aber keine kräftigen Tannine

Traditionell vs. Modern

Traditionelle Vinifikation:

  • Spontanvergärung mit natürlichen Hefen
  • Längere Maischestandzeiten
  • Ausbau in großen, alten Holzfässern oder Botti
  • Keine oder minimale Filtration
  • Wenig technologischer Eingriff

Moderne Vinifikation:

  • Reinzuchthefen für kontrollierte Gärung
  • Temperaturkontrolle präzise möglich
  • Einsatz von neuen Barriques
  • Mikrooxidation und andere innovative Techniken
  • Klärung und Stabilisierung für haltbare, saubere Weine

Viele zeitgenössische Spitzenwinzer kombinieren das Beste aus beiden Welten: traditionelle Prinzipien mit moderner Präzision.

Spezielle Vinifikationsmethoden

Neben der klassischen Vinifikation gibt es zahlreiche spezielle Verfahren:

  • Appassimento: Trocknung der Trauben vor der Vinifikation (Italien, z.B. Amarone)
  • Kohlensäuremaischung: Ganztraubengärung in CO₂-Atmosphäre (z.B. Beaujolais)
  • Kryomazeration: Kaltmazeration für intensivere Aromenextraktion
  • Méthode Champenoise: Flaschengärung für Schaumweine
  • Orange Wine: Weißwein mit langer Maischestandzeit wie bei Rotwein

Die Kunst der Vinifikation

Vinifikation ist weit mehr als bloße Kellertechnik – sie ist eine Kunst, die Wissen, Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordert. Der Winzer muss:

  • Das Potenzial der Trauben erkennen
  • Den gewünschten Weinstil definieren
  • Techniken wählen, die diesen Stil unterstützen
  • Flexibel auf die Bedingungen jedes Jahrgangs reagieren
  • Die Balance zwischen Tradition und Innovation finden

Gute Vinifikation hebt das Terroir und die Rebsorte hervor, statt sie zu überdecken. Sie schafft Weine, die authentisch, komplex und lagerfähig sind – Weine, die Geschichten erzählen und Genuss bereiten.

Naturwein und minimalinterventionistische Vinifikation

In den letzten Jahren hat sich eine Bewegung hin zu naturnaher, minimaler Intervention in der Vinifikation entwickelt:

  • Verzicht auf zugesetzte Hefen (nur spontane Gärung)
  • Keine oder minimale Schwefelzugabe
  • Keine Schönung oder Filtration
  • Keine technologischen Korrekturen

Diese Weine können lebendiger, aber auch variabler sein – sie fordern vom Winzer höchste Sorgfalt und vom Trinker Offenheit für unkonventionelle Stile.

Zusammenfassung

Vinifikation umfasst alle Schritte und Entscheidungen vom Entrappen der Trauben bis zur Abfüllung des Weins. Sie ist neben Terroir und Rebsorte der dritte entscheidende Faktor für den Charakter eines Weins. Moderne Winzer verfügen über eine beeindruckende Palette an vinifikatorischen Werkzeugen und Techniken – die Kunst besteht darin, die richtigen für jeden Wein zu wählen und sie mit Respekt vor der Natur und dem Ausgangsprodukt einzusetzen.

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