Maischegärung
Die Maischegärung ist das zentrale Verfahren der Rotweinbereitung. Erfahre, wie Farbe, Tannine und Aromen aus den Traubenschalen extrahiert werden.
Definition
Maischegärung bezeichnet den Gärprozess, bei dem der Most zusammen mit den festen Traubenbestandteilen (Schalen, Kerne, manchmal auch Stiele) vergoren wird. Dieses Verfahren ist charakteristisch für die Rotweinbereitung und entscheidend für die Entwicklung von Farbe, Tanninstruktur und Aromenspektrum.
Der Prozess im Detail
Vorbereitung
Nach der Lese werden die Trauben entrappt (Stiele entfernt) und leicht angequetscht oder gemahlen. Das Ergebnis ist die Maische – ein Gemisch aus Most (Traubensaft), Schalen, Kernen und gegebenenfalls Stielen. Diese Maische wird in Gärbehälter gefüllt.
Gärung
Die alkoholische Gärung wird durch Hefen ausgelöst – entweder durch natürliche Hefen auf den Trauben (Spontangärung) oder durch zugesetzte Reinzuchthefen. Während der Gärung:
- Werden Zucker in Alkohol und CO₂ umgewandelt
- Steigen die Schalen durch das entstehende CO₂ nach oben und bilden den Tresterhut (französisch: chapeau)
- Müssen die Schalen regelmäßig mit dem Most in Kontakt gebracht werden
Extraktion während der Gärung
Die wichtigsten Substanzen, die während der Maischegärung aus den Schalen extrahiert werden:
Farbstoffe (Anthocyane) befinden sich in den Schalen roter Trauben. Die Extraktion erfolgt hauptsächlich in den ersten 3-5 Tagen der Gärung. Der entstehende Alkohol wirkt als Lösungsmittel und verstärkt die Farbextraktion.
Tannine stammen aus Schalen, Kernen und Stielen (wenn mitverarbeitet). Sie verleihen dem Wein Struktur, Alterungspotenzial und das charakteristische Mundgefühl. Die Tanninextraktion ist zeitabhängig und nimmt mit längerer Maischestandzeit zu.
Aromastoffe aus den Schalen tragen wesentlich zum Geschmacksprofil bei. Primäre Fruchtaromen, aber auch komplexere Noten werden während der Maischegärung freigesetzt.
Techniken der Maischegärung
Untertauchen des Tresterhuts
Um eine optimale Extraktion zu gewährleisten, muss der Tresterhut regelmäßig mit dem gärenden Most in Kontakt gebracht werden:
Pigeage (Unterstoßen): Traditionelle Methode, bei der der Tresterhut mechanisch oder per Hand in den Most untergestoßen wird. Dies war früher typischerweise Handarbeit mit Holzstangen, heute meist mechanisch.
Remontage (Überpumpen): Der Most wird von unten abgezogen und über den Tresterhut gepumpt. Diese Methode ist weniger oxidativ als Pigeage und ermöglicht eine sanftere Extraktion.
Délestage (Abstich-Rückpumpen): Der gesamte Most wird abgezogen, der Tresterhut fällt zusammen, und der Most wird anschließend wieder zurückgepumpt. Dies führt zu intensiverer Extraktion und besserer Sauerstoffaufnahme.
Temperaturkontrolle
Die Gärtemperatur beeinflusst die Extraktion erheblich:
- Kühlere Gärung (22-26°C): Betont fruchtige Aromen, sanftere Tanninextraktion, hellere Farbe
- Wärmere Gärung (28-32°C): Intensivere Farbextraktion, kräftigere Tannine, komplexere Aromen
- Kaltmazeration: Vor der Gärung wird die Maische mehrere Tage kühl gehalten (10-15°C), um Farbe und Aromen ohne Alkohol zu extrahieren
Dauer der Maischegärung
Die Maischestandzeit variiert je nach gewünschtem Weinstil:
- Kurze Maischegärung (3-7 Tage): Leichtere, fruchtbetonte Rotweine mit weicheren Tanninen
- Mittlere Maischegärung (8-14 Tage): Klassischer Stil mit ausgewogener Struktur
- Lange Maischegärung (15-30+ Tage): Kraftvolle, tanninreiche Weine mit hohem Lagerpotenzial
Nach der Gärung wird der Wein von der Maische getrennt – dies nennt man Abpressen. Der frei ablaufende Most (Vorlaufwein) ist meist feiner als der Presswein, der durch mechanisches Pressen gewonnen wird.
Unterschied zur Weißweinbereitung
Der fundamentale Unterschied zwischen Rot- und Weißweinbereitung liegt in der Maischegärung:
Rotwein: Gärung mit Schalen (Maischegärung) → Farbextraktion Weißwein: Gärung ohne Schalen (Mostgärung) → keine Farbextraktion, auch bei roten Trauben möglich (z.B. Blanc de Noirs)
Ausnahme: Orangeweine sind Weißweine, die wie Rotweine mit Maischegärung hergestellt werden, was zu intensiverer Farbe und Tanninen führt.
Einfluss auf den Weinstil
Die Art der Maischegärung prägt den Charakter des Rotweins fundamental:
Traditionelle Maischegärung in großen Holzbottichen oder Edelstahltanks mit moderater Extraktion ergibt zugängliche, fruchtbetonte Weine. Dies ist typisch für klassische deutsche Rotweine wie Spätburgunder oder Frühburgunder.
Moderne burgundische Methode mit Ganztraubenvergärung, Kaltmazeration und verlängerter Maischestandzeit produziert strukturierte, komplexe Weine mit hohem Alterungspotenzial.
Mediterrane Methode mit hohen Temperaturen und langer Maischestandzeit erzeugt kraftvolle, tanninreiche Weine wie im Barolo oder in der Rioja.
Die Maischegärung ist somit nicht nur ein technischer Prozess, sondern ein Werkzeug, mit dem Winzer den Charakter ihrer Rotweine gezielt formen können.
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