Wein-Glossar

Spontanvergärung

4. Dezember 2025
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Spontanvergärung – die natürliche Gärung ohne Reinzuchthefe. Erfahre, wie wilde Hefen komplexe, terroir-geprägte Weine entstehen lassen.

Definition

Die Spontanvergärung (auch spontane Gärung oder Naturvergärung) beschreibt den Prozess der alkoholischen Gärung ohne Zugabe von Reinzuchthefen. Stattdessen übernehmen natürlich vorkommende Wildhefen, die auf den Traubenschalen und im Weinkeller leben, die Umwandlung von Zucker in Alkohol. Diese traditionelle Methode gilt als ursprünglichste Form der Weinbereitung und wird zunehmend von Winzern geschätzt, die authentische, terroir-geprägte Weine erzeugen möchten.

Funktionsweise

Bei der Spontanvergärung setzt der Winzer bewusst keine industriell gezüchteten Hefestämme ein. Nach der Lese und dem Pressen beginnen die natürlich vorhandenen Hefen – hauptsächlich Saccharomyces cerevisiae, aber auch andere Stämme wie Kloeckera, Candida und Hanseniaspora – mit der Gärung. Dieser Prozess verläuft in mehreren Phasen:

  1. Startphase: Zunächst dominieren nicht-Saccharomyces-Hefen, die komplexere Aromen erzeugen
  2. Hauptgärung: Saccharomyces cerevisiae übernimmt und führt die Gärung zu Ende
  3. Nachgärung: Langsames Abklingen der Hefeaktivität

Die Spontanvergärung dauert oft länger als die kontrollierte Gärung mit Reinzuchthefen – manchmal mehrere Wochen oder Monate. Die Temperatur wird meist nur minimal reguliert, um den natürlichen Verlauf nicht zu stören.

Vor- und Nachteile

Vorteile:

  • Komplexität: Verschiedene Hefestämme erzeugen ein breiteres Aromenspektrum als Reinzuchthefen
  • Terroir-Ausdruck: Die Weine spiegeln stärker die Herkunft und den Jahrgang wider
  • Authentizität: Gilt als natürlichste und traditionellste Form der Weinbereitung
  • Individualität: Jeder Wein wird zum Unikat, da die Hefepopulation von Weingut zu Weingut variiert

Nachteile:

  • Risiko: Höhere Gefahr von Fehltönen durch unerwünschte Hefen oder Bakterien
  • Unvorhersehbarkeit: Der Gärverlauf ist schwerer zu kontrollieren, die Ergebnisse variieren von Jahr zu Jahr
  • Gärstockung: Spontangärungen können stoppen, bevor der gesamte Zucker vergoren ist
  • Zeitaufwand: Längere Gärdauer bindet Tanks und Fässer über Monate

Aromatische Auswirkungen

Weine aus Spontanvergärung zeigen oft charakteristische Sekundäraromen:

  • Hefige Noten: Brioche, frisches Brot, Gebäck
  • Würzige Komponenten: Gewürznelke, weißer Pfeffer, Kräuter
  • Steinobst & Nüsse: Mandel, Haselnuss, reifer Pfirsich
  • Florale Anklänge: Wiesenblumen, Kamille
  • Mineralität: Oft ausgeprägter als bei Weinen mit Reinzuchthefe

Die Aromenvielfalt entsteht durch die Stoffwechselprodukte unterschiedlicher Hefestämme, die während verschiedener Gärphasen aktiv sind.

Anwendung im modernen Weinbau

Spontanvergärung wird heute vor allem von Winzern praktiziert, die:

  • Biodynamisch oder biologisch arbeiten
  • Minimalinterventionistische Philosophie verfolgen (Natural Wine)
  • Terroir-geprägte Weine erzeugen möchten
  • Tradition und Handwerk betonen

Besonders verbreitet ist die Methode in Frankreich (Burgund, Rhône, Loire), Italien (Piemont, Toskana) und zunehmend auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Viele Premium-Winzer kombinieren heute beide Ansätze: Spontanvergärung für ihre Top-Weine, Reinzuchthefe für Basisweine.

Unterschied zu Reinzuchthefe

Bei der konventionellen Weinbereitung wird die natürliche Hefeflora durch Schwefelung oder Erhitzen abgetötet, bevor speziell gezüchtete Hefestämme zugegeben werden. Diese Reinzuchthefen garantieren:

  • Vorhersehbare Gärergebnisse
  • Kürzere Gärdauer
  • Geringeres Risiko von Fehltönen
  • Reproduzierbare Aromenprofile

Der Preis für diese Kontrolle ist ein geringeres Aromaspektrum und weniger Terroir-Ausdruck. Viele Winzer sehen Spontanvergärung als Rückbesinnung auf traditionelle Weinbereitung, die den Charakter des Jahrgangs und Standorts ungefiltert ins Glas bringt.

Hygiene und Voraussetzungen

Erfolgreiche Spontanvergärung erfordert:

  • Gesunde Trauben: Fäulnis oder Pilzbefall fördern unerwünschte Mikroorganismen
  • Saubere Kellerhygiene: Ohne Rückstände von Desinfektionsmitteln, die Hefen abtöten könnten
  • Erfahrung: Der Winzer muss Gärverlauf und Risiken richtig einschätzen können
  • Geduld: Spontangärungen brauchen Zeit und lassen sich nicht beschleunigen

Viele Betriebe bauen über Jahre eine stabile, qualitätsorientierte Hefepopulation im Keller auf, die zuverlässig für gelungene Spontanvergärungen sorgt.

Fazit

Die Spontanvergärung ist mehr als eine Methode – sie ist eine Philosophie, die auf Vertrauen in natürliche Prozesse und den Ausdruck des Terroirs setzt. Während sie höhere Risiken birgt, belohnt sie Winzer und Genießer mit komplexen, individuellen Weinen, die Geschichte und Herkunft erzählen. In Zeiten austauschbarer Industrieweine gewinnt dieser Ansatz zunehmend an Bedeutung.

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