Thermenregion - Heimat autochthoner Weißwein-Raritäten
Die Thermenregion südlich von Wien ist berühmt für ihre autochthonen Rebsorten Zierfandler und Rotgipfler, pannonisches Klima und erstklassige Weingüter.
Thermenregion - Heimat autochthoner Weißwein-Raritäten
Zusammenfassung / Auf einen Blick
Die Thermenregion ist eine der spannendsten Weinregionen Österreichs – und das liegt vor allem an zwei Rebsorten, die es sonst nirgendwo gibt: Zierfandler und Rotgipfler. Diese autochthonen Weißweinsorten gedeihen südlich von Wien auf kalkhaltigen Böden und bringen kraftvolle, würzige Weine hervor, die international ihresgleichen suchen. Neben diesen Raritäten wird auch hervorragender Pinot Noir und St. Laurent erzeugt.
Quick Facts:
- Lage: Niederösterreich, südlich von Wien entlang des Wienerwald-Vorlandes
- Größe: 2.200 Hektar Rebfläche
- Klima: Pannonisch beeinflusst, warm, trocken
- Hauptrebsorten: Zierfandler, Rotgipfler, Pinot Noir (25%), St. Laurent, Zweigelt
- Weinstile: Kraftvolle autochthone Weißweine, elegante Rotweine
- Besonderheit: Einzige relevante Anbaugebiete für Zierfandler und Rotgipfler weltweit
Geographie und Klima
Die Thermenregion erstreckt sich vom südlichen Stadtrand Wiens bis südlich von Baden über rund 50 Kilometer. Der Name kommt von den zahlreichen Thermalquellen, die die Region seit der Römerzeit prägen. Die Weinberge liegen am Ostrand des Wienerwaldes, wo die Alpenausläufer auf die Pannonische Tiefebene treffen.
Das Klima ist stark pannonisch beeinflusst: heiße, trockene Sommer mit bis zu 1.800 Sonnenstunden pro Jahr, kalte Winter und vor allem trockene Herbste. Die permanente Luftbewegung zwischen der Großen Ungarischen Tiefebene im Osten und dem Anninger-Rücken im Westen sorgt für schnelles Abtrocknen der Trauben nach Tau und Regen – ideale Bedingungen für gesunde, konzentrierte Trauben.
Die Böden sind extrem vielfältig: Im Norden dominieren kalkhaltige Lehmböden mit hohen Anteilen an Sand und Kies, oft durchsetzt mit Muschelkalk und Schneckenresten aus dem ehemaligen Urmeer. Diese Böden sind relativ schwer und wasserspeichernd – perfekt für die kraftvollen Weißweine von Gumpoldskirchen.
Rebsorten
Zierfandler (Spätrot)
Der Zierfandler – auch Spätrot genannt wegen der rötlichen Verfärbung der Blätter im Herbst – ist die Paradedisziplin der Thermenregion. Diese autochthone Sorte bringt extraktreiche, würzige Weißweine hervor mit Aromen von Honig, Mandeln, exotischen Früchten und einer charakteristischen Botrytis-Note bei Spätlesen. Die Weine haben viel Körper, moderate Säure und ein enormes Reifepotenzial von 10-20 Jahren.
Rotgipfler
Der Rotgipfler ist das würzige Pendant zum opulenten Zierfandler. Die Weine sind etwas schlanker, dafür pikanter mit Noten von grünem Pfeffer, Kräutern und Steinobst. Oft werden Zierfandler und Rotgipfler gemeinsam als "Spitzerberg" oder "Gumpoldskirchner" verschnitten – eine Kombination, die Kraft und Finesse perfekt vereint.
Pinot Noir (Blauburgunder)
Mit 25% Flächenanteil ist Pinot Noir die wichtigste Rotweinsorte der Thermenregion, vor allem im südlichen Teil rund um Tattendorf und Teesdorf. Die Weine sind elegant, burgundisch geprägt und profitieren vom warmen Klima mit perfekter Fruchtreife.
St. Laurent
St. Laurent ist die zweite große Rotweinsorte der Region. Die Weine sind würzig, mit Kirsch- und Waldbeerenaromen, oft mit feiner Röst-Note durch Barrique-Ausbau. St. Laurent liebt die kalkhaltigen Böden der Thermenregion.
Chardonnay, Weißburgunder, Grauburgunder
Die burgundischen Sorten spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Chardonnay, Weißburgunder und Grauburgunder werden für Ortsweine und Gebietsweine im Rahmen der DAC-Klassifikation verwendet.
Weinstile
Die Thermenregion steht für kraftvolle, charakterstarke Weine. Die autochthonen Weißweine sind das Gegenteil von leicht und filigran – sie haben Körper, Würze und Substanz. Seit 2023 gilt die Thermenregion DAC-Klassifikation:
- Gebietswein: Unkomplizierte Einstiegsweine aus der gesamten Region
- Ortswein: Lagenbezogene Weine aus den Hauptorten (Gumpoldskirchen, Traiskirchen, Tattendorf etc.)
- Riedenwein: Spitzenweine von Einzellagen mit strengeren Anforderungen
Für Ortsweine sind folgende Sorten zugelassen: Rotgipfler, Zierfandler, Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay (weiß) sowie Pinot Noir, St. Laurent und Zweigelt (rot).
Die klassischen Weißweine werden oft im großen Holzfass oder im Stahltank ausgebaut, um die Frucht zu bewahren. Spitzenweine reifen auch in kleinen Barriques und entwickeln zusätzliche Komplexität.
Top Weingüter in der Thermenregion
Spitzenweingut
Johanneshof Reinisch (Tattendorf)
- **Adresse:**Öllerergasse 6, 2523 Tattendorf
- Website: johanneshof-reinisch.at
- Spezialität: Pinot Noir, St. Laurent, biologischer Weinbau
- Auszeichnungen: 5 Kronen Vinaria, höchste Auszeichnung der Region
- Das absolute Top-Weingut der Thermenregion. Die Familie Reinisch erzeugt seit Generationen Weltklasse-Rotweine, vor allem Pinot Noir und St. Laurent. Seit 2006 biologisch bewirtschaftet.
Exzellente Weingüter (4 Kronen/Sterne)
Weingut Karl Alphart (Traiskirchen)
- Adresse: Wienerstraße 46, 2514 Traiskirchen
- Website: alphart.at
- Spezialität: Rotgipfler, Zierfandler, klassische Thermenregion-Weißweine
- Auszeichnungen: 4 Kronen Vinaria
- Karl Alphart ist DER Spezialist für die autochthonen Sorten. Seine Rotgipfler und Zierfandler sind Benchmark-Weine.
Weingut Leo Aumann (Gumpoldskirchen)
- Adresse: Wienerstraße 14, 2352 Gumpoldskirchen
- Website: weingut-aumann.at
- Spezialität: Zierfandler, Rotgipfler, Gumpoldskirchner-Cuvées
- Auszeichnungen: 4 Kronen Vinaria
- Leo Aumann führt die Tradition der klassischen Gumpoldskirchner Weißweine fort – opulent, würzig, lagerfähig.
Weingut Johannes Gebeshuber (Gumpoldskirchen)
- Adresse: Kirchengasse 5, 2352 Gumpoldskirchen
- Website: weingut-gebeshuber.at
- Spezialität: Rotgipfler, Zierfandler, Riedenweine
- Auszeichnungen: 4 Kronen Vinaria
- Johannes Gebeshuber verbindet Tradition mit modernem Weinbau. Seine Riedenweine zeigen perfekt die Terroir-Unterschiede.
Weingut Johann Gisperg (Teesdorf)
- Adresse: Hauptstraße 110, 2524 Teesdorf
- Website: weingut-gisperg.at
- Spezialität: St. Laurent, Pinot Noir
- Auszeichnungen: 4 Kronen Vinaria
- Spezialist für elegante Rotweine aus dem südlichen Teil der Thermenregion.
Weitere empfehlenswerte Weingüter
Weingut Stadlmann (Traiskirchen)
- Adresse: Wienerstraße 68, 2514 Traiskirchen
- Website: weingut-stadlmann.at
- Spezialität: Zierfandler, Rotgipfler, St. Laurent
Weingut Biegler (Gumpoldskirchen)
- Adresse: Kirchenplatz 9, 2352 Gumpoldskirchen
- Website: weingut-biegler.at
- Spezialität: Klassische Gumpoldskirchner-Cuvées
Unterregionen
Die Thermenregion wird traditionell in zwei Bereiche unterteilt:
Nördliche Thermenregion (Weißwein-Schwerpunkt)
- Hauptorte: Perchtoldsdorf, Gumpoldskirchen, Pfaffstätten, Baden, Guntramsdorf, Traiskirchen
- Böden: Kalkhaltige Lehmböden, Muschelkalk
- Schwerpunkt: Zierfandler, Rotgipfler, klassische weiße Thermenregion-Weine
- Berühmteste Lage: Gumpoldskirchen – das historische Zentrum, seit dem Mittelalter berühmt für kraftvolle Weißweine
Südliche Thermenregion (Rotwein-Schwerpunkt)
- Hauptorte: Bad Vöslau, Sooß, Tattendorf, Teesdorf
- Böden: Vielfältiger, mehr sandige und kiesige Anteile
- Schwerpunkt: Pinot Noir, St. Laurent, Zweigelt
- Besonderheit: Bad Vöslau war im 19. Jahrhundert berühmt für seine Rotweine und beliebtes Kurort der Habsburger
Weinbaugeschichte
Der Weinbau in der Thermenregion ist uralt: Bereits die Römer erkannten das Potenzial der kalkhaltigen Böden und des milden Klimas. Im Mittelalter waren es vor allem Klöster wie das Stift Heiligenkreuz, die den Weinbau vorantrieben.
Die Blütezeit erlebte die Region im 18. und 19. Jahrhundert. Gumpoldskirchen war in ganz Europa berühmt für seine schweren, süßen Weißweine – die damals oft mit Botrytis ausgebaut wurden. Kaiser Franz Joseph I. liebte die Weine aus Bad Vöslau, die er regelmäßig nach Schönbrunn liefern ließ.
Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet die Region in eine Krise: Die schweren, süßen Stile waren nicht mehr gefragt. Erst ab den 1980er Jahren besannen sich die Winzer wieder auf ihre Stärken: autochthone Sorten, Terroir-Ausdruck und moderne Vinifikation. Die Einführung der Thermenregion DAC im Jahr 2023 war der nächste Meilenstein – endlich gibt es klare Qualitätsstandards.
Herausforderungen und Zukunft
Klimawandel: Die Thermenregion profitiert bisher vom Klimawandel. Die ohnehin warme Region wird noch wärmer, was vor allem den Rotweinen zugutekommt. Allerdings nehmen auch Extremwetter-Ereignisse zu – Hagel, Starkregen und Trockenperioden werden häufiger.
Autochthone Sorten im Fokus: Die Zukunft der Thermenregion liegt in den autochthonen Sorten Zierfandler und Rotgipfler. Diese Weine sind einzigartig, nicht kopierbar und haben enormes internationales Potenzial – wenn die Kommunikation stimmt.
DAC als Chance: Die Thermenregion DAC hilft, die Region klarer zu positionieren. Endlich gibt es verbindliche Regeln für Gebietsweine, Ortsweine und Riedenweine – das schafft Orientierung für Konsumenten.
Nachhaltigkeit: Immer mehr Betriebe stellen auf biologischen oder biodynamischen Weinbau um. Der Johanneshof Reinisch macht es vor – und zeigt, dass Bio und Spitzenqualität perfekt zusammenpassen.
Tourismus: Die Nähe zu Wien ist ein Riesenvorteil. Viele Weingüter setzen auf Heurigenkultur, Weinwanderungen und Weintourismus. Die Kombination aus Thermalquellen, Weinkultur und Wienerwald macht die Region touristisch attraktiv.
Meine persönliche Empfehlung
Die Thermenregion ist für mich die am meisten unterschätzte Weinregion Österreichs – und genau das macht sie so spannend!
Mein Lieblingsweingut: Der Johanneshof Reinisch in Tattendorf ist ein absolutes Muss. Die Familie Reinisch macht Weltklasse-Pinot Noir und St. Laurent – biologisch, terroirgeprägt, ohne Schnickschnack. Die Verkostungen sind herzlich und unkompliziert. Mein Tipp: Der "Holzspur" Pinot Noir ist ein Preis-Leistungs-Hammer!
Klassische Thermenregion-Erfahrung: Für die autochthonen Sorten empfehle ich das Weingut Karl Alphart in Traiskirchen. Karl Alphart ist DER Spezialist für Rotgipfler und Zierfandler. Seine Weine sind kraftvoll, würzig, einzigartig – und zeigen perfekt, warum diese Sorten so besonders sind. Unbedingt probieren: Der Rotgipfler Zierfandler "Spitzerberg" – ein Klassiker!
Heurigen-Erlebnis: In Gumpoldskirchen solltest du unbedingt einen traditionellen Heurigen besuchen. Das Weingut Leo Aumann kombiniert hochwertige Weine mit gemütlicher Heurigenatmosphäre. Im Sommer im Gastgarten unter den Kastanien sitzen, ein Glas Zierfandler trinken, dazu Brettljause – österreichische Weinkultur pur!
Geheimtipp: Das Weingut Stadlmann in Traiskirchen ist noch ein Geheimtipp. Die Weine sind exzellent, die Preise fair, und die Familie unglaublich gastfreundlich. Besonders der St. Laurent hat mich begeistert!
Weinwanderung: Der Thermenregion-Weinwanderweg führt durch die schönsten Lagen rund um Gumpoldskirchen und Pfaffstätten. Die Route ist etwa 7 km lang (ca. 2-3 Stunden), führt durch Weingärten mit Blick auf Wien und den Wienerwald. Unterwegs gibt es mehrere Rastplätze und Heurige zum Einkehren. Highlight: Die Aussicht vom Gumpoldskirchner Wienerweg!
Beste Reisezeit: September und Oktober sind ideal. Die Weingärten leuchten herbstlich, die Ernte läuft, viele Weingüter haben Verkostungen und Hoffeste. Und: Die Thermalquellen in Baden sind nach einer Weinwanderung die perfekte Entspannung!
Kulinarischer Tipp: Die kraftvollen Weißweine passen perfekt zu Wiener Schnitzel, Tafelspitz oder auch asiatischer Küche. Der würzige Rotgipfler ist mein Lieblings-Begleiter zu gebratenem Saibling oder Zander – die Kombination ist sensationell!
Die Thermenregion ist Wiener Weinkultur, die sich getraut hat, anders zu sein. Zierfandler und Rotgipfler sind keine easy-drinking-Weine – sie fordern Aufmerksamkeit, sie polarisieren, sie überraschen. Und genau das macht sie so verdammt interessant!