Wein-Glossar

Spätlese

4. Dezember 2025
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Spätlese ist eine deutsche Prädikatswein-Stufe für Weine aus spät gelesenen, reifen Trauben. Erfahre alles über Mostgewicht, Geschmacksstile und ideale Kombinationen.

Was ist Spätlese?

Spätlese ist eine Qualitätsstufe innerhalb der Prädikatsweine in Deutschland und Österreich. Der Name deutet bereits auf das zentrale Merkmal hin: Die Trauben werden später als beim normalen Lesezeitpunkt geerntet, wodurch sie höhere Reifegrade und damit höhere natürliche Zuckergehalte erreichen. Spätlese steht in der Qualitätshierarchie über Kabinett und unter Auslese.

Gesetzliche Anforderungen

Deutschland

In Deutschland ist Spätlese durch das Weingesetz klar definiert:

  • Mindest-Mostgewicht: 76-90° Oechsle (je nach Anbaugebiet und Rebsorte)
  • Lesezeitpunkt: Frühestens 7 Tage nach dem regulären Lesebeginn für Qualitätswein
  • Traubenreife: Vollreife Trauben mit höherer Zuckerkonzentration
  • Keine Anreicherung: Der Zuckergehalt darf nicht künstlich erhöht werden (Chaptalisierung verboten)

Beispiele für Mindest-Oechslegrade:

  • Riesling in der Mosel: 76° Oechsle
  • Riesling in der Pfalz: 85° Oechsle
  • Silvaner in Franken: 85° Oechsle

Österreich

In Österreich gelten für Spätlese ähnliche, aber teils strengere Regeln:

  • Mindest-Mostgewicht: 94° KMW (ca. 19° Oechsle)
  • Lesezeitpunkt: Nach dem regulären Lesebeginn
  • Traubenauswahl: Vollreife, gesunde Trauben

Geschmacksstile

Ein verbreiteter Irrtum ist, dass Spätlese automatisch süß bedeutet. Tatsächlich können Spätlese-Weine in verschiedenen Geschmacksrichtungen vinifiziert werden:

Klassische Spätlese (feinherb bis edelsüß)

Der traditionelle Stil mit spürbarer Restsüße:

  • Restzucker: Meist 20-60 g/l
  • Charakteristik: Reife Fruchtaromen, honigartige Noten, ausgewogene Säure
  • Lagerfähigkeit: 10-20 Jahre und mehr bei Riesling
  • Ideal zu: Asiatischer Küche, fruchtigem Dessert, würzigem Käse

Trockene Spätlese

Moderne Interpretation mit vollständiger Vergärung:

  • Restzucker: Meist unter 9 g/l (trocken nach deutschem Weingesetz)
  • Charakteristik: Konzentrierte Frucht, kraftvoller Körper, ausgeprägte Struktur
  • Alkoholgehalt: Oft 12,5-14% aufgrund des hohen Zuckergehalts
  • Ideal zu: Gebratenem Fisch, hellem Fleisch, Pasta mit Sahnesaucen

Typische Aromen

Je nach Rebsorte und Ausbau entwickeln Spätlese-Weine charakteristische Aromen:

Bei Riesling

  • Reife Früchte: Gelber Pfirsich, Aprikose, reifer Apfel
  • Exotische Noten: Mango, Ananas (besonders bei wärmeren Jahrgängen)
  • Honig: Subtile Honigsüße, die sich mit der Zeit verstärkt
  • Mineralität: Bei Schiefer- oder Kalkböden ausgeprägte Steinnoten

Bei anderen Rebsorten

  • Silvaner: Reife Birne, Quitte, Kräuterwürze
  • Grauburgunder: Geröstete Nüsse, Honigmelone, Butter
  • Gewürztraminer: Litschi, Rosenblüten, orientalische Gewürze
  • Welschriesling (Österreich): Apfel, Holunderblüte, elegante Säure

Spätlese im Weinbau

Erntezeitpunkt

Die Entscheidung für eine Spätlese erfordert vom Winzer Mut und Erfahrung:

  • Risiko: Längere Standzeit erhöht das Risiko für Fäulnis, Vogelfraß oder schlechtes Wetter
  • Monitoring: Regelmäßige Kontrolle von Mostgewicht und Traubengesundheit
  • Selektive Lese: Oft handverlesen, um nur die reifsten Trauben zu ernten
  • Wetterfenster: Idealerweise trockenes, sonniges Herbstwetter für optimale Konzentration

Vinifikation

Die Weinbereitung von Spätlese-Weinen erfordert besondere Aufmerksamkeit:

  • Mostbehandlung: Schonende Pressung, um die feinen Aromen zu bewahren
  • Gärführung: Oft bei kühleren Temperaturen, um die Frucht zu erhalten
  • Restsüße: Bei klassischer Spätlese wird die Gärung gestoppt, bevor der gesamte Zucker vergoren ist
  • Ausbau: Meist im Edelstahltank oder großen Holzfass, um die Primärfrucht zu betonen

Spätlese vs. andere Prädikate

Spätlese vs. Kabinett: Spätlese ist reifer, konzentrierter und meist etwas fülliger. Kabinett ist leichter, spritziger und oft trockener.

Spätlese vs. Auslese: Auslese stammt aus noch reiferen, oft handselektierten Trauben mit höherem Mostgewicht. Auslese-Weine sind intensiver, süßer und langlebiger.

Spätlese vs. Beerenauslese: Beerenauslese erfordert überreife, oft edelfaule Beeren. Diese Weine sind deutlich süßer und konzentrierter als Spätlese.

Regionale Besonderheiten

Mosel (Deutschland)

Mosel-Riesling-Spätlesen sind legendär:

  • Charakteristik: Filigran, elegant, niedrigerer Alkohol (8-10%)
  • Säurestruktur: Rassige Säure, die die Süße perfekt ausbalanciert
  • Schieferboden: Mineralische Noten, die dem Wein Tiefe verleihen
  • Lagerpotenzial: Kann Jahrzehnte reifen und gewinnt dabei an Komplexität

Wachau (Österreich)

In der Wachau werden anstelle von Prädikatsstufen die Bezeichnungen Steinfeder, Federspiel und Smaragd verwendet. Smaragd entspricht etwa einer trockenen Spätlese mit mindestens 12,5% Alkohol.

Rheingau (Deutschland)

Rheingau-Spätlesen sind oft etwas kraftvoller:

  • Charakteristik: Mehr Körper als Mosel, aber dennoch elegant
  • Aromen: Reife Steinfrüchte, dezente Honignoten
  • Böden: Kalk und Schiefer bringen zusätzliche Mineralität

Food Pairing

Klassische Spätlese (mit Restsüße)

Ideal zu:

  • Asiatische Küche (Thai-Curry, chinesische Gerichte mit süß-saurer Sauce)
  • Entenleber oder Foie Gras
  • Blauschimmelkäse (Roquefort, Stilton)
  • Apfelstrudel oder Obsttorten

Warum: Die Restsüße harmoniert mit würzigen oder fruchtigen Gerichten, während die Säure die Reichhaltigkeit ausbalanciert.

Trockene Spätlese

Ideal zu:

  • Gebratener Lachs mit Kräuterkruste
  • Schweinelende mit Apfel-Sahne-Sauce
  • Pasta mit Pilzrahmsauce
  • Reifer Hartkäse (Comté, alter Gouda)

Warum: Der kräftige Körper und die konzentrierte Frucht können reichhaltigeren Gerichten standhalten, ohne sie zu dominieren.

Lagerung und Entwicklung

Spätlese-Weine, besonders aus Riesling, gehören zu den lagerfähigsten Weißweinen der Welt:

  • Jung (1-3 Jahre): Primärfrucht dominiert, lebendige Säure, jugendliche Frische
  • Mittleres Alter (5-10 Jahre): Die Frucht wird komplexer, Honignoten entwickeln sich, die Säure integriert sich
  • Gereift (15+ Jahre): Petrolnoten (bei Riesling), getrocknete Früchte, Karamell, beeindruckende Komplexität

Lagerbedingungen:

  • Temperatur: Konstant kühl (10-12°C)
  • Luftfeuchtigkeit: 60-70% für Naturkorken
  • Licht: Dunkel lagern
  • Position: Liegend, damit der Korken feucht bleibt

Spätlese ist ein faszinierendes Prädikat, das sowohl in klassisch-edelsüßer als auch in moderner trockener Ausprägung überzeugt – ein Beweis für die Vielseitigkeit und Qualität deutscher und österreichischer Weinkultur.

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