Prädikatswein
Prädikatsweine sind die Spitze deutscher und österreichischer Weinqualität. Erfahre alles über Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese und Eiswein.
Was ist Prädikatswein?
Prädikatswein ist die höchste Qualitätsstufe im deutschen und österreichischen Weingesetz. Diese Weine müssen strenge gesetzliche Anforderungen erfüllen, vor allem bezüglich des natürlichen Zuckergehalts der Trauben (Mostgewicht) bei der Lese. Der entscheidende Punkt: Prädikatsweine dürfen nicht angereichert werden – der Zucker und damit der spätere Alkoholgehalt stammen ausschließlich aus der natürlichen Reife der Trauben.
Der Begriff "Prädikat" bedeutet "Auszeichnung" und unterstreicht, dass diese Weine sich durch besondere Qualität auszeichnen. Je nach Reifegrad und Mostgewicht werden verschiedene Prädikate vergeben, die eine klare Qualitätshierarchie bilden.
Geschichte
Das System der Prädikatsweine wurde in Deutschland im Weingesetz von 1971 eingeführt, um Qualität messbar und transparent zu machen. Es ersetzte ältere, uneinheitliche Klassifizierungssysteme und schuf erstmals bundesweit einheitliche Standards.
Die Grundidee: Höhere natürliche Traubenreife = höhere Qualität. Diese Philosophie basiert auf der Annahme, dass reifere Trauben komplexere Aromen und mehr Extrakt entwickeln. Das System hat sich bewährt und wurde – mit regionalen Anpassungen – auch in Österreich übernommen.
Die Prädikatsstufen in Deutschland
Prädikatsweine werden nach dem Mostgewicht (gemessen in Grad Oechsle) in sechs Stufen unterteilt. Die Mindestanforderungen variieren je nach Anbaugebiet und Rebsorte.
1. Kabinett
Kabinett ist die niedrigste Prädikatsstufe und bezeichnet leichte, elegante Weine aus reifen Trauben.
- Mindest-Oechsle: 70-85° (je nach Region und Rebsorte)
- Charakteristik: Leicht, fein, niedrigerer Alkohol (meist 8-11%)
- Stil: Trocken bis halbtrocken/lieblich
- Lagerung: 2-5 Jahre (Spitzenweine länger)
- Ideal zu: Leichten Gerichten, Fisch, Salaten
Beispiel: Mosel-Riesling Kabinett mit 8% Alkohol, spritziger Säure und Apfelaromen.
2. Spätlese
Spätlese bedeutet, dass die Trauben später als beim normalen Lesebeginn geerntet wurden.
- Mindest-Oechsle: 76-95° (je nach Region und Rebsorte)
- Charakteristik: Konzentrierter, reifere Fruchtaromen
- Stil: Trocken bis edelsüß
- Lagerung: 5-15 Jahre (besonders Riesling)
- Ideal zu: Asiatischer Küche, Geflügel, fruchtigem Dessert
Beispiel: Rheingau-Riesling Spätlese mit Pfirsich- und Honignoten.
3. Auslese
Auslese stammt aus vollreifen, oft handselektierten Trauben. Unreife Beeren werden ausgelesen (daher der Name).
- Mindest-Oechsle: 83-105° (je nach Region und Rebsorte)
- Charakteristik: Intensiv, oft edelfaul, komplex
- Stil: Meist edelsüß, manchmal auch trocken
- Lagerung: 10-30 Jahre
- Ideal zu: Blauschimmelkäse, Desserts, Foie Gras
Besonderheit: Auslese kann von Botrytis (Edelfäule) befallen sein, was zusätzliche Komplexität bringt.
4. Beerenauslese (BA)
Beerenauslese besteht aus einzeln ausgelesenen, überreifen und oft edelfaulen Beeren.
- Mindest-Oechsle: 110-128° (je nach Region und Rebsorte)
- Charakteristik: Sehr süß, intensiv, konzentriert
- Stil: Edelsüß (100-150 g/l Restzucker)
- Lagerung: 20-50 Jahre
- Ideal zu: Desserts, Blauschimmelkäse, pur
Produktion: Sehr aufwendig, nur in günstigen Jahrgängen möglich.
5. Trockenbeerenauslese (TBA)
Trockenbeerenauslese ist die höchste Prädikatsstufe und besteht aus rosinenartigen, edelfaulen Beeren.
- Mindest-Oechsle: 150-154° (je nach Region und Rebsorte)
- Charakteristik: Extrem süß, sirupartig, höchste Konzentration
- Stil: Edelsüß (150-300+ g/l Restzucker)
- Lagerung: 50-100+ Jahre
- Ideal zu: Foie Gras, Blauschimmelkäse, pur als Meditationswein
Seltenheit: Nur in Ausnahmejahrgängen und in winzigen Mengen produziert.
6. Eiswein
Eiswein ist eine Sonderform: Die Trauben werden bei mindestens -7°C geerntet und gefroren gepresst.
- Mindest-Oechsle: Wie Beerenauslese (110-128°)
- Charakteristik: Extrem konzentrierte Süße und Säure, keine Botrytis
- Stil: Edelsüß mit rassiger Säure
- Lagerung: 20-40 Jahre
- Ideal zu: Fruchtdesserts, pur
Besonderheit: Das gefrorene Wasser bleibt beim Pressen zurück, nur der konzentrierte Saft fließt.
Prädikatswein in Österreich
Österreich übernimmt das deutsche System, nutzt aber Klosterneuburger Mostwaage (°KMW) statt Oechsle:
| Prädikat | Mindest-KMW | Entspricht Oechsle | |---|---|---| | Kabinett | 17° | ca. 83° | | Spätlese | 19° | ca. 94° | | Auslese | 21° | ca. 105° | | Beerenauslese | 25° | ca. 127° | | Ausbruch | 27° | ca. 138° | | Trockenbeerenauslese | 30° | ca. 154° | | Eiswein | 25° | ca. 127° | | Strohwein | 25° | ca. 127° |
Besonderheiten in Österreich:
- Ausbruch: Spezialität aus Rust am Neusiedlersee, zwischen Beerenauslese und TBA
- Strohwein: Trauben werden auf Strohmatten oder in Kisten getrocknet (Appassimento-Methode)
- Smaragd, Federspiel, Steinfeder: In der Wachau verwendete Bezeichnungen statt Prädikate
Wichtige Regeln für Prädikatsweine
Anreicherungsverbot
Das wichtigste Merkmal: Keine Chaptalisierung. Das bedeutet, dass kein Zucker zugesetzt werden darf, um den Alkoholgehalt zu erhöhen. Der natürliche Zuckergehalt der Trauben ist allein entscheidend.
Handlese
Für höhere Prädikate (ab Auslese) ist meist Handlese vorgeschrieben, um gezielt die reifsten Beeren auszuwählen.
Rebsorte und Region
Die Mindestanforderungen variieren:
- Rebsorte: Riesling hat meist niedrigere Anforderungen als z.B. Müller-Thurgau, da Riesling schwerer reift
- Anbaugebiet: Kühlere Regionen (Mosel) haben niedrigere Oechsle-Anforderungen als wärmere (Pfalz)
Prüfung und Kontrolle
Jeder Prädikatswein muss:
- Analytisch geprüft werden (Labor)
- Sensorisch verkostet werden (Prüfungskommission)
- Eine amtliche Prüfnummer (A.P. Nr.) erhalten
Trocken, halbtrocken oder süß?
Ein häufiges Missverständnis: Prädikat ≠ automatisch süß. Das Prädikat gibt nur den Reifegrad bei der Lese an, nicht den Restzucker im fertigen Wein.
- Kabinett und Spätlese werden heute oft trocken ausgebaut (13-14% Alkohol)
- Auslese ist meist edelsüß, kann aber auch trocken sein
- BA, TBA, Eiswein sind praktisch immer edelsüß
Auf dem Etikett finden sich zusätzliche Angaben:
- Trocken: Max. 9 g/l Restzucker
- Halbtrocken/Feinherb: 9-18 g/l Restzucker
- Lieblich: 18-45 g/l Restzucker
- Süß: Über 45 g/l Restzucker
Prädikatswein vs. Qualitätswein
Qualitätswein (ohne Prädikat) ist die Stufe unter Prädikatswein:
- Niedrigere Mostgewichte
- Anreicherung (Chaptalisierung) erlaubt
- Keine besonderen Reifegrade erforderlich
- Macht den Großteil der deutschen Weinproduktion aus
Prädikatswein hebt sich durch höhere natürliche Reife und strengere Anforderungen ab.
Kritik am System
Das Prädikatssystem wird auch kritisiert:
- Fokus auf Mostgewicht: Süße/Reife ist nicht der einzige Qualitätsfaktor; Terroir, Vinifikation und Lage werden weniger betont
- Verwirrung: Viele Konsumenten assoziieren Prädikatswein mit süß, was heute oft nicht mehr stimmt
- Moderne Weinstile: Trockene, terroir-betonte Weine passen nicht immer ins Prädikatssystem
Aus diesem Grund haben viele Regionen zusätzliche Systeme eingeführt:
- VDP-Klassifikation: Großes Gewächs, Erste Lage, Ortswein, Gutswein
- DAC-System (Österreich): Fokus auf Herkunft und typischen Weinstil
Berühmte Prädikatsweine
Einige legendäre Beispiele:
- Egon Müller Scharzhofberger Riesling TBA: Einer der teuersten Weißweine der Welt
- Schloss Johannisberg Riesling: Historische TBAs und Eisweine
- Weingut Feiler-Artinger Ausbruch: Österreichische Süßwein-Legende
- J.J. Prüm Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese: Mosel-Klassiker
Das Prädikatssystem ist ein einzigartiges Qualitätsversprechen, das deutsche und österreichische Weinkultur prägt. Es garantiert natürliche Reife und handwerkliche Sorgfalt – und bringt einige der langlebigsten und faszinierendsten Weine der Welt hervor.
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