Wein-Glossar

Qvevri

4. Dezember 2025
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Qvevri - traditionelle georgische Tonamphoren für die Weinherstellung. Erfahre, wie diese 8.000 Jahre alte Methode Orange Wines hervorbringt.

Was ist ein Qvevri?

Ein Qvevri (georgisch: ქვევრი, auch Kvevri geschrieben) ist ein großes, eiförmiges Tongefäß, das seit über 8.000 Jahren in Georgien für die Weinherstellung und -lagerung verwendet wird. Diese im Boden vergrabenen Tonamphoren sind das Herzstück der georgischen Weinbautradition und ermöglichen eine einzigartige Weinbereitungsmethode, die zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Qvevri sind nicht nur Gefäße, sondern ein lebendiges Symbol der ältesten ununterbrochenen Weinbaukultur der Welt.

Herstellung & Eigenschaften

Traditionelle Fertigung

Qvevri werden von spezialisierten Handwerkern aus lokalem Ton geformt, traditionell ohne Töpferscheibe durch die Ringwulsttechnik. Die Gefäße sind komplett verschlossen bis auf eine Öffnung an der Spitze. Nach dem Formen werden sie in großen Öfen bei hohen Temperaturen gebrannt. Ein klassisches Qvevri kann 500 bis 3.000 Liter (manchmal bis zu 10.000 Liter) fassen und wiegt mehrere hundert Kilogramm.

Beschichtung & Vorbereitung

Traditionell werden Qvevri innen mit Bienenwachs ausgekleidet, um die Poren des Tons zu versiegeln und die Reinigung zu erleichtern. Vor der ersten Nutzung und dann jährlich werden die Gefäße gründlich gereinigt und mit Kalkstein-Aufschlämmung desinfiziert. Moderne Qvevri werden manchmal mit Epoxidharz beschichtet, obwohl Traditionalisten Bienenwachs bevorzugen.

Vergrabung

Das Besondere an der Qvevri-Methode ist, dass die Amphoren bis zum Hals im Boden vergraben werden – meist in speziellen Kellern (georgisch: Marani). Die Erdummantelung sorgt für konstante, kühle Temperaturen (13-15°C) das ganze Jahr über, ideal für kontrollierte Gärung und Reifung ohne moderne Kühltechnik.

Die Qvevri-Methode

Weinbereitung

Die traditionelle georgische Methode unterscheidet sich fundamental von modernen Weinbereitungstechniken:

  1. Vollständige Trauben: Die Trauben werden komplett – oft mit Stielen, Schalen und Kernen – ins Qvevri gefüllt
  2. Spontanvergärung: Die Gärung startet natürlich durch wilde Hefen, ohne Zugabe von Reinzuchthefen
  3. Lange Maischestandzeit: Weiße Trauben bleiben monatelang (oft 5-6 Monate) auf der Maische, ähnlich der Rotweinbereitung
  4. Minimale Intervention: Kein Pumpen, kein Ummischen, keine Temperaturkontrolle – die Natur übernimmt
  5. Natürliche Klärung: Die spitze, eiförmige Form sorgt dafür, dass Trester und Sedimente sich am Boden sammeln
  6. Reifung: Nach der Gärung wird das Qvevri versiegelt (traditionell mit Steinplatten und Lehm) und der Wein reift mehrere Monate

Mikroklima im Qvevri

Die poröse Keramik ermöglicht minimalen Luftaustausch, ähnlich wie Holzfässer, aber subtiler. Die Eiförmigkeit erzeugt natürliche Konvektionsströme, die sanfte Bewegung und Kontakt zwischen Wein und Trub fördern, ohne mechanisches Eingreifen. Die konstante Erdtemperatur verhindert Temperaturschwankungen und ermöglicht langsame, gleichmäßige Gärung.

Resultierende Weinstile

Orange Wines

Die bekanntesten Qvevri-Weine sind Orange Wines aus weißen Trauben wie Rkatsiteli oder Mtsvane. Der monatelange Schalenkontakt verleiht ihnen:

  • Bernsteinfarbene bis kupferrote Färbung
  • Struktur und feine Tannine wie bei Rotweinen
  • Komplexe Aromen von getrockneten Früchten, Nüssen, Honig und Gewürzen
  • Außergewöhnliches Lagerpotenzial (10-20+ Jahre)

Rote Qvevri-Weine

Auch rote Rebsorten wie Saperavi werden in Qvevri ausgebaut. Diese Weine zeigen intensive Farbe, Struktur und Komplexität mit erdigen, würzigen Noten.

Kulturelle Bedeutung

Die georgische Qvevri-Weinherstellung wurde 2013 von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt. Diese Anerkennung würdigt nicht nur die Technik selbst, sondern die gesamte Kultur drumherum: Viele georgische Familien haben eigene Qvevri im Keller, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Weinherstellung ist tief mit georgischen Festen, Ritualen und der nationalen Identität verwoben.

Moderne Verbreitung

Während Qvevri historisch auf Georgien beschränkt waren, experimentieren heute Winzer weltweit mit dieser Methode:

  • Italien (Friaul): Josko Gravner war Pionier und brachte Qvevri nach Italien
  • Slowenien: Mehrere Produzenten nutzen georgische Qvevri oder lokale Amphoren
  • Österreich, Deutschland, Frankreich: Kleine Zahl von Produzenten experimentiert mit Amphoren
  • Kalifornien, Australien: Natural-Wine-Bewegung nutzt teils Qvevri-ähnliche Gefäße

Allerdings sind authentische, traditionell hergestellte Qvevri weiterhin hauptsächlich in Georgien zu finden, wo die Handwerkstradition lebendig bleibt.

Qvevri vs. Amphore

Während der Begriff "Amphore" allgemein für antike Tongefäße steht (griechisch, römisch), ist das Qvevri spezifisch georgisch in Form, Herstellung und Verwendung. Im Weinbau werden heute verschiedene Amphoren-Typen verwendet (italienische Giare, spanische Tinajas), aber nur die georgischen, vollständig vergrabenen Qvevri repräsentieren die ungebrochene, jahrtausendealte Tradition.

Weincharakter

Qvevri-Weine haben einen unverwechselbaren Charakter, der sie von anderen Weinbereitungsmethoden unterscheidet:

  • Textur: Oft beschrieben als "lebendig", "strukturiert" oder "grippig"
  • Oxidative Noten: Sanfte Oxidation verleiht Komplexität ohne Weinfehler
  • Erdigkeit: Mineralische, erdige Komponenten vom Kontakt mit Ton
  • Natürlichkeit: Lebendiger, manchmal wilder Charakter durch minimale Intervention

Diese Weine polarisieren: Für manche sind sie die authentischsten, natürlichsten Weine der Welt, für andere gewöhnungsbedürftig. Sie repräsentieren jedoch unbestreitbar eine lebendige Verbindung zur Urgeschichte des Weinbaus.

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