Wein-Glossar

Mineralität im Wein

4. Dezember 2025
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Mineralität im Wein erklärt: Woher kommt der mineralische Geschmack, wie erkennt man ihn und welche Weine zeigen besonders ausgeprägte Mineralität?

Definition

Mineralität ist einer der umstrittensten und faszinierendsten Begriffe in der Weinsprache. Er beschreibt einen Geschmackseindruck, der an Steine, Feuerstein, nasse Schieferplatten, Kreide, salzige Meeresluft oder sogar Petrol erinnert. Mineralität verleiht einem Wein Tiefe, Komplexität und eine besondere Eleganz – ein sensorisches Erlebnis, das schwer in Worte zu fassen ist, aber unmittelbar erkennbar, wenn man es einmal erlebt hat.

Was ist Mineralität?

Im Gegensatz zu Fruchtnoten oder floralen Aromen ist Mineralität keine klassische Geschmacksrichtung, sondern eher ein sensorischer Eindruck oder eine Textur. Viele Weinliebhaber und Sommeliers beschreiben Mineralität als:

  • Nasse Steine oder feuchter Kiesel nach dem Regen
  • Feuerstein oder der Geruch, wenn man zwei Steine aneinander schlägt
  • Kreide oder Kalkstein – eine trockene, staubige Note
  • Salzigkeit – ein leicht salziger Eindruck, besonders bei Weinen aus Küstenregionen
  • Petrol oder Diesel – besonders bei gereiftem Riesling
  • Graphit oder Bleistift – oft bei mineralischen Rotweinen aus Schiefer-Böden

Mineralität ist kein Aroma im klassischen Sinne, sondern eine Kombination aus Geschmack, Textur und olfaktorischen Eindrücken. Sie verleiht dem Wein eine gewisse Kühle, Präzision und Geradlinigkeit.

Woher kommt Mineralität?

Die Frage nach dem Ursprung der Mineralität ist wissenschaftlich umstritten. Es gibt verschiedene Theorien:

Theorie 1: Terroir und Bodenmineralien

Die traditionelle Erklärung besagt, dass Mineralität durch die Bodenzusammensetzung entsteht – insbesondere durch Schiefer, Kalk, Granit, Vulkangestein oder Kiesel. Die Idee: Die Reben nehmen Mineralien aus dem Boden auf, die sich im Wein widerspiegeln.

Kritik: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Reben Mineralien in anorganischer Form aufnehmen, die geschmacksneutral sind. Mineralität entsteht also nicht direkt durch Bodenmineralien im Wein.

Theorie 2: Säure und Frische

Eine andere Erklärung sieht Mineralität als Kombination aus hoher Säure, niedriger Fruchtintensität und bestimmten aromatischen Verbindungen. Weine mit ausgeprägter Säure und zurückhaltender Frucht wirken oft mineralischer.

Theorie 3: Hefestoffwechsel und Weinbereitung

Bestimmte Hefen und reduktive Weinbereitung (wenig Sauerstoffkontakt) können schwefelhaltige Verbindungen erzeugen, die an Feuerstein oder Rauch erinnern. Besonders bei sur-lie-Ausbau (Lagerung auf der Hefe) können mineralische Noten entstehen.

Theorie 4: Schwefelverbindungen

Einige Forscher vermuten, dass Mineralität durch flüchtige Schwefelverbindungen wie Mercaptane entsteht, die in geringen Konzentrationen an Feuerstein erinnern. Diese Verbindungen entstehen während der Gärung und Reifung.

Die Wahrheit liegt vermutlich in einer Kombination all dieser Faktoren: Terroir, Rebsorte, Klima, Weinbereitung und individuelle Wahrnehmung spielen zusammen.

Welche Weine zeigen Mineralität?

Mineralität findet sich besonders häufig in:

Weißweinen

  • Riesling (Mosel, Rheingau, Elsass, Clare Valley): Schiefer, Petrol, nasse Steine
  • Chablis (Chardonnay auf Kalkstein): Kreide, Austernschalen, Feuerstein
  • Sancerre / Pouilly-Fumé (Sauvignon Blanc auf Kalk & Feuerstein): Rauchig, flinty, steinig
  • Arinto (Portugal): Salzige Meeresluft, Kiesel, Kreide
  • Grüner Veltliner (Österreich): Kiesel, weiße Steinfrüchte, pfeffrige Mineralität
  • Assyrtiko (Griechenland/Santorini): Vulkanische Mineralität, Salz, Stein

Rotweinen

  • Nebbiolo (Barolo, Barbaresco): Teer, Rosen, Schiefer
  • Pinot Noir (Burgund): Feuerstein, kalkhaltiger Boden, erdige Mineralität
  • Syrah / Shiraz (Nordrhône, Hermitage): Granit, Schiefer, rauchige Mineralität
  • Nerello Mascalese (Ätna, Sizilien): Vulkanische Asche, salzige Meeresbrise

Schaumweine

  • Champagner (Kreide-Böden): Kreidige Textur, Feuerstein, salzige Note

Wie erkennt man Mineralität?

Mineralität zeigt sich in mehreren Dimensionen:

Im Geruch

  • Feuerstein, nasse Steine, rauchige Noten
  • Meeresluft, Salz (bei Küstenweinen)
  • Petrol, Diesel (bei gereiftem Riesling)
  • Vulkanische Asche (bei Weinen von Vulkanböden)

Im Geschmack

  • Ein trockener, fast pulvriger Eindruck am Gaumen
  • Salzigkeit oder eine leicht jodige Note
  • Eine gewisse Kühle und Präzision
  • Wenig primäre Frucht, dafür Fokus auf Struktur

In der Textur

  • Straffheit und Spannung
  • Eine gewisse Härte oder Geradlinigkeit
  • Oft kombiniert mit lebendiger Säure
  • Kalkige oder kreidige Textur (wie beim Kauen auf Kreide)

Mineralität und Speisen

Mineralische Weine sind hervorragende Essensbegleiter, besonders zu:

  • Meeresfrüchten: Austern, Muscheln, gegrillter Fisch
  • Rohem Fisch: Sushi, Sashimi, Ceviche
  • Ziegenkäse: Die Mineralität ergänzt die Cremigkeit
  • Spargel: Mineralische Weißweine harmonieren perfekt
  • Salzige Speisen: Anchovis, geräucherter Fisch, Kapern

Die Mineralität im Wein verstärkt die salzigen und umami-haltigen Noten in Speisen und schafft eine wunderbare Harmonie.

Mineralität vs. Fruchtigkeit

Ein häufiges Missverständnis: Mineralität bedeutet nicht Abwesenheit von Frucht. Viele mineralische Weine zeigen durchaus Fruchtaromen, aber diese sind zurückhaltender und präziser. Die Mineralität tritt als zusätzliche Dimension hinzu und verleiht dem Wein Komplexität und Eleganz.

Fruchtbetonte Weine (z.B. kalifornischer Chardonnay mit viel Eichenholz und tropischen Früchten) zeigen hingegen weniger Mineralität – hier stehen opulente Frucht und cremige Textur im Vordergrund.

Temperatur und Mineralität

Interessanterweise wird Mineralität bei kühlerer Serviertemperatur stärker wahrgenommen. Weine, die zu warm serviert werden, wirken weicher, fruchtiger und weniger mineralisch. Daher sollten mineralische Weißweine bei 8-10°C serviert werden, um ihre Präzision zur Geltung zu bringen.

Fazit

Mineralität ist ein faszinierendes und kontroverses Konzept, das schwer zu definieren, aber leicht zu erkennen ist. Ob durch Terroir, Weinbereitung oder individuelle Wahrnehmung – mineralische Weine gehören zu den elegantesten und komplexesten Gewächsen der Weinwelt. Sie sind das Gegenteil von opulenten, fruchtbetonten Weinen und sprechen besonders Weinliebhaber an, die Präzision, Finesse und Tiefe schätzen.

Wer einmal einen mineralischen Chablis zu Austern, einen Mosel-Riesling zu geräuchertem Fisch oder einen Assyrtiko zu gegrilltem Oktopus probiert hat, versteht sofort, warum Mineralität so faszinierend ist.

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