Wein-Glossar

Flaschengärung

4. Dezember 2025
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Flaschengärung ist die traditionelle Methode zur Schaumweinherstellung. So entstehen Champagner und hochwertiger Sekt mit feiner Perlage und komplexen Aromen.

Was ist Flaschengärung?

Flaschengärung (auch Méthode Traditionelle, Méthode Classique oder Méthode Champenoise) ist die aufwendigste und qualitativ hochwertigste Methode zur Herstellung von Schaumwein. Bei dieser Technik findet die zweite Gärung direkt in der Flasche statt, in der der Sekt oder Champagner später verkauft wird. Das Verfahren ist besonders für Champagner vorgeschrieben und wird auch für hochwertigen deutschen Sekt verwendet.

Geschichte

Die Methode wurde im 17. Jahrhundert in der Champagne entwickelt, wobei der Benediktinermönch Dom Pérignon (1638-1715) eine wichtige Rolle spielte – allerdings nicht als Erfinder, sondern als Perfektionierer der Technik. Er verbesserte die Assemblage (Verschnitt) verschiedener Weine und erkannte die Bedeutung dicker Glasflaschen, die dem Druck standhielten.

Die systematische Perfektionierung erfolgte im 19. Jahrhundert durch die Witwe (Veuve) Clicquot, die das Rüttelverfahren zur Klärung des Schaumweins entwickelte, und durch andere Champagnerhäuser.

Der Herstellungsprozess

1. Grundweinbereitung

Zunächst wird ein stiller Wein (Grundwein oder "Vin de Base") hergestellt. Dieser wird oft aus verschiedenen Rebsorten, Lagen und Jahrgängen zu einer Cuvée verschnitten, um einen gleichbleibenden Hausstil zu garantieren.

2. Tirage (Füllung)

Der Grundwein wird mit einer Mischung aus Zucker und Hefe (Liqueur de Tirage) versetzt und in dickwandige Flaschen gefüllt. Die typische Zugabe beträgt etwa 24 g/l Zucker, was später rund 6 bar Druck und etwa 1,2-1,3% zusätzlichen Alkohol ergibt.

Die Flaschen werden mit einem Kronkorken (heute meist mit Kunststoffbidule) verschlossen und horizontal in kühlen Kellern gelagert.

3. Zweite Gärung (Prise de Mousse)

In der Flasche wandeln die Hefen den zugesetzten Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um. Da das CO₂ nicht entweichen kann, löst es sich im Wein und sorgt für die Perlage. Dieser Prozess dauert etwa 6-8 Wochen.

Während der Gärung entsteht ein Druck von bis zu 6 bar – etwa dreimal so viel wie in einem Autoreifen. Deshalb sind spezielle, dickwandige Champagnerflaschen notwendig.

4. Hefelagerung (Sur Lie)

Nach der Gärung sterben die Hefen ab und sinken als Sediment (Depot) auf den Flaschenboden. Während der folgenden Hefelagerung gibt die Hefe kontinuierlich Geschmacksstoffe an den Wein ab (Autolyse). Diese Phase ist entscheidend für die Qualität:

Mindestdauer:

  • Champagner non-vintage: Mindestens 15 Monate
  • Champagner Vintage: Mindestens 3 Jahre
  • Deutscher Sekt b.A.: Mindestens 9 Monate
  • Winzersekt: Oft deutlich länger (2-4 Jahre)

Je länger die Hefelagerung, desto komplexer und cremiger wird der Schaumwein.

5. Rütteln (Remuage)

Um das Hefedepot aus der Flasche zu entfernen, müssen die Flaschen gerüttelt werden. Dabei werden sie in Rüttelpulte (Pupitres) gesteckt – schräg stehende Holzgestelle mit Löchern.

Über mehrere Wochen werden die Flaschen täglich leicht gedreht und zunehmend steiler gestellt, bis sie kopfüber stehen und das gesamte Depot im Flaschenhals sitzt. Dieser Prozess dauert traditionell 3-6 Wochen.

Moderne Alternative: Gyropaletten (maschinelle Rüttelpulte) erledigen diese Arbeit in wenigen Tagen.

6. Degorgieren (Dégorgement)

Der Flaschenhals wird in eine Kältelösung (ca. -25°C) getaucht, sodass das Depot einfriert. Beim Öffnen der Flasche schießt der Eispfropfen mit dem Hefedepot durch den Druck heraus.

Methoden:

  • À la glace: Moderne Methode mit Gefrieren
  • À la volée: Traditionelle Methode von Hand (heute selten)

7. Dosage

Nach dem Degorgieren fehlt etwas Flüssigkeit in der Flasche. Diese wird durch eine Mischung aus Wein und Zucker (Liqueur d'Expédition oder Dosage) aufgefüllt. Die Menge des zugesetzten Zuckers bestimmt die Geschmacksrichtung:

  • Brut Nature: 0-3 g/l (keine oder minimale Dosage)
  • Extra Brut: 0-6 g/l
  • Brut: 0-12 g/l (Standard)
  • Extra Dry: 12-17 g/l
  • Sec: 17-32 g/l
  • Demi-Sec: 32-50 g/l
  • Doux: über 50 g/l

Bei hochwertigen Schaumweinen wird oft nur Wein ohne Zucker zugegeben (Brut Nature).

8. Verschließen und Ruhen

Die Flasche wird mit dem klassischen Champagnerkorken (aus mehreren Korkschichten) verschlossen und mit einem Drahtgeflecht (Agraffe oder Muselet) gesichert. Nach dem Verschließen sollte der Schaumwein noch einige Monate ruhen, damit sich die Dosage integriert.

Qualitätsmerkmale der Flaschengärung

Feine, langanhaltende Perlage

Die Kohlensäure ist perfekt in den Wein eingebunden. Die Bläschen (Perlage) sind sehr fein und steigen gleichmäßig als "Perlenketten" auf. Bei Tank-gärendem Sekt sind die Bläschen oft größer und verschwinden schneller.

Komplexe Aromen

Durch die lange Hefelagerung entwickeln sich sekundäre Aromen:

  • Brioche und frisches Brot
  • Nussige Noten (Haselnuss, Mandel)
  • Buttrige, cremige Textur
  • Toast und Gebäck
  • Honig (bei längerer Lagerung)

Cremige Textur

Die Mousse (Schaumkrone) ist feinporig und cremig. Im Mund fühlt sich der Wein samtig und rund an, trotz lebendiger Säure.

Längerer Abgang

Schaumweine aus Flaschengärung haben einen längeren, komplexeren Abgang als tankvergorene Schaumweine.

Bezeichnungen

Je nach Land gibt es verschiedene geschützte Bezeichnungen:

  • Méthode Champenoise: Nur für Champagner aus der Champagne (in Frankreich geschützt)
  • Méthode Traditionelle / Classique: International für Flaschengärung außerhalb der Champagne
  • Traditionelle Flaschengärung: Deutsche Bezeichnung
  • Metodo Classico: Italienische Bezeichnung (z.B. Franciacorta, Trento DOC)
  • Cava: Spanische Bezeichnung für Flaschengärung (hauptsächlich Katalonien)

Unterschied zur Tankgärung (Charmat)

| Aspekt | Flaschengärung | Tankgärung | |------------|-------------------|----------------| | Gärung | In jeder einzelnen Flasche | Im Großtank | | Dauer | Mehrere Monate bis Jahre | Wenige Wochen | | Perlage | Fein, langanhaltend | Gröber, kürzer | | Aromen | Komplex (Brioche, Nuss, Toast) | Fruchtig, frisch | | Textur | Cremig, samtig | Leichter, spritziger | | Preis | Höher (arbeitsintensiv) | Günstiger (rationalisiert) | | Beispiele | Champagner, Cava, Winzersekt | Prosecco, Sekt b.A. (teilweise) |

Bekannte Schaumweine mit Flaschengärung

Frankreich

  • Champagner: Der Inbegriff der Flaschengärung
  • Crémant: Schaumweine aus anderen französischen Regionen (Loire, Elsass, Burgund)

Deutschland

  • Winzersekt: Hochwertiger Sekt nach traditioneller Methode
  • Sekt b.A.: Oft (aber nicht immer) nach Flaschengärung

Spanien

  • Cava: Hauptsächlich aus Katalonien, meist aus Macabeo, Parellada und Xarel-lo

Italien

  • Franciacorta: DOCG-Schaumwein aus der Lombardei (Chardonnay, Pinot Noir)
  • Trento DOC: Aus dem Trentino, ähnlich wie Champagner

England

  • English Sparkling Wine: Wächst stark, oft aus klassischen Champagner-Rebsorten

Andere

  • Cap Classique: Südafrika
  • Méthode Cap Classique: Neuseeland, Australien

Kosten und Aufwand

Flaschengärung ist die teuerste Methode zur Schaumweinherstellung:

Hohe Kosten durch:

  • Lagerplatz für Millionen Flaschen über Jahre
  • Arbeitsintensives Rütteln (selbst maschinell)
  • Verluste beim Degorgieren
  • Spezielle Flaschen und Korken
  • Kapital, das lange gebunden ist

Ergebnis: Deutlich höherer Preis, aber auch deutlich höhere Qualität als bei Tankgärung.

Siehe auch

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